Stressabbau durch Yoga: Entdecke die Geheimnisse des Vagusnervs
Der Nervus Vagus ist der zehnte, längste und vielschichtigste der zwölf paarig angelegten Hirnnerven, deren Kerne direkt im Gehirn liegen. Er beginnt im Hirnstamm, hinter den Ohren. Von dort wandert er auf jeder Seite des Nackens nach unten bis zum Bauch. Das Wort 'vagus' stammt aus dem lateinischen und bedeutet 'der Umherschweifende'. Er verbindet den Hirnstamm mit allen wichtigen Organen, u.a. der Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, dem Herzen, Magen, verschiedenen Darmabschnitten und den Nieren.
Polyvagalinformiertes Yoga bedeutet einerseits Yoga für den Vagusnerv und andererseits die Anwendung der Polyvagal-Theorie. Das Wort "Polyvagal" bezieht sich auf das autonome Nervensystem. Es ist eine Zusammensetzung aus dem griechischen Wort "poly", das "viele" bedeutet, und "vagal", das sich auf den Vagusnerv bezieht. Die Polyvagal-Theorie untersucht die Rolle des Vagusnervs bei der Regulation von Emotionen und Verhalten.Durch Yoga und körpertherapeutische Übungen können wir den Vagusnerv und somit das autonome Nervensystem in einen Zustand der flexiblen Selbstregulation bringen, der bei vielen Menschen durch chronischen Stress und psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, funktionsgestört ist. Über die Polyvagal-Theorie lernen wir, wie unser autonomes Nervensystem funktioniert. In der Symbiose von Theorie und Praxis, dem polyvagalinformierten Yoga, erhalten wir einen Zugang, um uns mit unserem Nervensystem "zu befreunden".
Die Polyvagal-Theorie
Die Polyvagal-Theorie beschreibt drei Reaktionskreisläufe des autonomen
Nervensystems. Die Polyvagal-Theorie (PVT) wurde im Jahr 1994 von Dr. Stephen Porges vorgestellt, einem US-amerikanischen Professor für Psychiatrie an der University of North Carolina und Professor Emeritus an den Universitäten von Illinois in Chicago und Maryland. In der PVT verknüpft Porges die Evolution des autonomen Nervensystems von Säugetieren mit sozialem Verhalten und betont die Wichtigkeit des physiologischen Zustands für den Ausdruck von Verhaltensproblemen und psychiatrischen Störungen.
Das autonome Nervensystem besteht aus den beiden Antagonisten Sympathikus und
Parasympathikus. Die PVT identifiziert jedoch drei Reaktionskreisläufe des Nervensystems, die automatisch (autonom) im Körper ablaufen, alle Körperfunktionen regulieren und in einem gesunden Zustand die Homöostase (Gleichgewicht) aufrechterhalten. Nach Porges besteht der Parasympathikus aus zwei Teilen, dem vorderen (ventralen) und hinteren (dorsalen) Vagus-Ast.
Wenn der vordere Vagus-Ast aktiv ist, ist unser System in einem gesunden Gleichgewicht: Wir sind sozial zugewandt, mit anderen verbunden und positiv entspannt. Wenn der Sympathikus aktiviert ist, sind wir mobilisiert und schützen uns durch Aktion – Kampf oder Flucht. Ist der hintere Vagus-Ast aktiv, erstarren wir und schalten ab.
Funktionsstörungen und Ausgleich des Vagusnervs
Jeder der drei Reaktionskreisläufe ist überlebenswichtig. Wenn das Nervensystem richtig funktioniert, wechselt es flexibel zwischen den drei Zuständen, je nach Notwendigkeit für das Überleben. Die Hauptaufgabe des autonomen Nervensystems ist die permanente Suche nach Anzeichen von Gefahr oder Sicherheit. Zum Beispiel schauen wir anderen Menschen ins Gesicht, um herauszufinden: bin ich sicher mit dieser Person? Muss ich mich verteidigen? Dieser Prozess läuft sehr schnell und unbewusst ab. Bei imaginierter oder realer Gefahr stellt das Nervensystem die Aktivität des vorderen Vagus-Astes ein und aktiviert den sympathischen Grenzstrang.
Stressabbau durch Yoga: Entdecke die Geheimnisse des Vagusnervs – der Shutdown als Überlebensreaktion
Wenn die Gefahr nicht durch Offenheit und Kommunikation überwunden werden kann, wird der Verstand deaktiviert und die Energie in instinktives Verhalten und abwehrende Reaktion gegeben: Kampf oder Flucht, bei extremeren Situationen totaler Shutdown und Distanzierung (hinterer Vagus). Der totale Shutdown soll helfen, traumatische Ereignisse und extreme Gefahr abzuwenden (Tiere stellen sich tot). Dies kann lebensrettend sein und spart Energie.
Wenn wir mehr Anzeichen für Gefahr als für Sicherheit sehen, werden also Überlebens-Reaktionen aktiviert. Wenn wir in einem solchen Zustand chronisch steckenbleiben (Kampf-Flucht, Erstarrung, Shutdown), gerät das Nervensystem aus dem Gleichgewicht. Im schlimmsten Fall werden wir krank: Dauerstress, Depression, Burnout, etc.
Wir sind in einem chronischen Verteidigungszustand, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt, können nicht mehr entspannen und sind nicht mehr belastbar. Es gibt eine Lösung: Der Weg aus dieser Sackgasse führt über die Aktivierung des ventralen Vagus, damit wir uns wieder sicher fühlen und flexibel zwischen den Zuständen wechseln können. Den vorderen Vagus-Ast können wir gut über den Körper aktivieren.
Ein guter Umgang mit Stressoren – polyvagalinformiertes Yoga
Yoga und Meditation sind ein besonders wirksamer Weg, um den vorderen Vagus-Ast zu aktivieren und das Nervensystem in eine selbstregulierte Balance zu bringen.
Polyvagalinformiertes Yoga heißt, das Wissen aus der PVT in den Yogaunterricht zu
integrieren. Neben speziellen Übungen für den Vagusnerv geht es dabei insbesondere
darum, wie eine Übung angeleitet wird. Im Kundalini Yoga geht es häufig um Durchhalten, auch wenn man vielleicht nicht mehr kann. Polyvagalinformiert bedeutet: Jeder und jede lauscht in sich hinein: Was sagt mein Körper dazu? Kann und will mein Körper durchhalten? Oder möchte er eine Pause?
Sich mit dem eigenen Nervensystem zu befreunden, bedeutet permanente Achtsamkeit und Wachsamkeit. Für den Lehrer/die Lehrerin heißt dies, die Übungen achtsam anzuleiten und dadurch eine positive, sichere Atmosphäre und Umgebung zu schaffen, in der sich jeder und jede fallen lassen und entspannen kann. Essenziell hierfür ist die Intonation der Stimme beim Anleiten und die Wortwahl. Darüber hinaus ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler immer wieder daran zu erinnern, sich selbst zu fühlen, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren.
Besonders effektiv zum Ausgleich des Vagusnervs sind Atemübungen. Unter Stress und Druck atmen wir meist zu flach, zu unregelmäßig und zu schnell. Dieses Atemmuster führt zu weiterer Anspannung, schwachen Nerven und macht anfällig für weiteren Stress. Wenn wir unter starkem Stress stehen, spannen wir unbewusst den ganzen Körper an, die Blutgefäße verengen sich, die Durchblutung wird schlechter (wir frösteln), Abfallprodukte bleiben im Körper, der immer stärker von innen verschmutzt. V.a. unter chronischem Stress ist der Atem konstant flach. Dies kann zu psychischer und physischer Krankheit und zu vorzeitiger Alterung führen.
Stressabbau durch Yoga: Entdecke die Geheimnisse des Vagusnervs
Wenn das Prana richtig fließen kann, können sich physische und emotionale Spannungen lösen und unser Vitalitätsniveau erhöht sich. Dadurch fühlen wir uns emotional sicher und körperlich stark, was zu einem Gefühl der Verbundenheit führt, d.h. der Vagusnerv ist ausgeglichen und du kommst in den Zustand von positiver Entspannung und Sicherheit. Empfehlenswert sind alle Atemübungen und Atemmeditation, besonders auch Breathwalk. Wichtiger als der Einatem ist ein langer und vollständiger Ausatmen.
Langer, tiefer Atem mit dem Fokus auf der Ausatmung hilft bei:
verspannten Muskeln, schlechter Durchblutung und gegen Frösteln
Verstopfung
Schmerzen ohne erkennbare Ursache
Stress und Gereiztheit (Lockerung einer starren Psyche)
Abnehmen durch Erhöhung des Stoffwechsels
Fazit: Polyvagalinformiertes Yoga ist eine hochwirksame Anwendungsmöglichkeit für die
PVT. Mit dem Hintergrundwissen der Theorie bietet Kundalini Yoga zahllose Kriyas und
Meditationen, die durch achtsames Anleiten in einer Atmosphäre der Sicherheit und
Geborgenheit eine ausgleichende Wirkung auf das autonome Nervensystem haben können. In Kombination mit körpertherapeutischen Übungen kann so ein Zustand der positiven Entspannung erzeugt werden für mehr Wohlbefinden, Gesundheit, Bewusstheit und Lebensfreude.
Quelle: 3HO Blog